Wir brachen früh auf, um 0830 Uhr trafen wir unseren neuen Guide Karim bei unseren Motorrädern.
Es war noch dämmrig, hier gilt ja Peking-Zeit, und die Hauptstadt liegt etwa 3500 km weiter im Osten. Später an der Grenze zu Kirgistan werden wir die Uhren gleich zwei Stunden vorstellen müssen.
Wir erwarteten wieder einen spannenden Tag, ging es doch um die Ausreise aus China. Die soll ja ähnlich kompliziert und langwierig wie die Einreise sein.
Unser Ziel war, vor der Mittagspause am Zoll und Immigration durch zu sein, und den 300 km entfernten Ort Sary Tash in Kirgistan noch bei Tageslicht zu erreichen.
Das klingt nach nichts, und ist es auch nicht, wenn bei der Ausreise alles so halbwegs läuft.
Den chinesischen Beamten ist eine recht ausgiebige Mittagspause vergönnt, von 13 Uhr bis 1530 Uhr. 

Karim machte einen netten Eindruck, was er drauf hat sollten wir bald erfahren.
Wieder schön artig seinem Auto folgend ließen wir die Stadt langsam hinter uns. Breite Boulevards, sehr wenig Verkehr um die Zeit, alles sauber, die Luft ist noch immer vom Sandsturm trüb. Neue Hochhäuser, Wohnsiedlungen und Industriekomplexe vermitteln den Eindruck, in einer aufstrebenden modernen chinesischen Stadt zu sein als gerade einen der wichtigsten Knotenpunkte der alten Seidenstraße zu verlassen auf dem Weg weiter nach Nordwesten.
Eine neu gebaute Autobahn, pipifein zu fahren, besonders für Manfred mit seinem kaputten hinteren Federbein. Der Frosch hüpft nicht ganz so wild durch die Gegend.
Von der Landschaft bekamen wir wieder nur Ansatzweise was mit, die trübe Luft schränkte die Sicht zu sehr ein.

Fast kein Verkehr auf dieser Autobahn, nach 100 km fuhren wir in Ulugqat ab zum Zoll (Irkeshtam Port). Um es kurz zusammen zu fassen: die Abfertigung ging superschnell. Das war zum einen unserem Karim zu verdanken, der uns da durchschleuste, zum anderen dürfte sich die Prozedur an der Grenze gegenüber früher etwas entspannt haben. Karim meinte, die Beamten seien um einiges relaxter als noch vor einem Jahr.

Erste Station Passkontrolle, einige LKW-Fahrer vor uns. Nach wenigen Minuten hatte Karim uns vorbei geschleust, die wollten nicht mal unsere Pässe sehen. Mit den Motorrädern vor auf einen großen Parkplatz, warten. Dann weiter zur riesigen Röntgenhalle, wir waren die ersten. Als der Beamte schließlich auftauchte, rein, röntgen abwarten, raus aus der Halle und zurück bis zu einem Schranken, warten.
Der Schranken hob sich, weiter zum Immigration Gebäude, drinnen warten, eine Handvoll Leute waren außer uns noch da.
Es dauerte nicht lange und wir kamen an die Reihe, flugs war der Ausreisestempel im Paß!
Nach hinten aus dem Gebäude, zurück zu den Motorrädern und hierher bringen, warten.
Karim kam raus, nachdem er sich vergewissert hat, dass mit unserer Ausreise alles in Ordnung sei.
Wir waren aus China offiziell ausgereist, für mich war das eine Sensation!
Alle Berichte die wir dazu gelesen hatten, zeugten von endlos langen Prozeduren und Kontrollen über viele Stunden, oft unterbrochen durch die zweieinhalbstündige Mittagspause.
Und wir waren in vielleicht 90 Minuten ausgereist und hatten keinerlei Gepäckkontrolle!
Darum habe ich auch zu Karim am Morgen noch gesagt, er möge bitte alles unternehmen, damit wir hier vor der Mittagspause fertig sind.

Bevor wir wieder auf die Autobahn auffuhren mussten wir noch zweimal die Pässe herzeigen,
das war´s.
Die Autobahn war dann gleich zu Ende, auf einer super Bundesstraße ging es bei weiterhin sehr wenig Verkehr flott dahin.
Trotz der trüben Sicht schoß ich ein paar Fotos, wie musste die Landschaft hier toll sein bei klarem Wetter!

120 km weiter erreichten wir die Grenzstation um etwa 1330 Uhr. Das hieß zwei Stunden warten, wir vertrieben uns die Zeit in einem kleinen Restaurant. Drei LKW Fahrer aßen hier eine Suppe (was anderes gab es eh nicht), Hunger machte sich auch bei uns bemerkbar. Wegen der frühen Abreise heute hatten wir kein Frühstück, Zeit etwas in unsere Mägen zu bekommen.
Wir begutachteten den Inhalt indem wir vorsichtig in die Teller lugten. Das Schaf- oder Ziegenfleisch drin überzeugte uns nicht besonders, dafür aber die Kartoffeln uns der Korb voll Weissbrot.
Also, ich hab das Fleisch probiert, nach einigen Kauversuchen aber aufgegeben. Sowas kann ein Mitteleuropäer gar nicht in den Magen hinunter bekommen!
Manfred hat diesen Versuch erst gar nicht gestartet, dafür waren die Kartoffeln und das Brot recht gut.
Dann sind wir zwei Türen weiter geschlendert zum Chinesen. Der betreibt einen kleinen Laden mit allem möglichen Krimskrams. Wir wollten bei ihm unsere letzten chinesischen Yuan (Renminbi) wechseln, er hatte aber keine kirgisischen Som mehr.
Aber wir konnten einiges in Snickers und Red Bull umsetzen, endlich wieder Schokolade und Zucker!
Bei den LKW-Fahrern war der Kauf von Schnellkochtöpfen angesagt, vermutlich sind die in Kirgistan wesentlich teurer.
Pünktlich um 1530 Uhr wurde der Schranken geöffnet und das Tor zu einer großen Halle geöffnet.
Bevor wir da hinein fuhren, verabschiedeten wir uns noch beinahe überschwänglich von Karim, der heute einen super Job erledigt hat.
Drinnen nochmals ein Blick in unsere Pässe. Auf einer beidseitig eingezäunten Straße knapp vier Kilometer weiter, bis zu einem kleinen Häuschen wo unsere Pässe nochmals vom Militär kontrolliert wurden. Es ist uns ja eh schon abgegangen, endlich wurden unsere Daten wieder in ein großes Buch eingetragen!
So, wir waren fertig mit China, nichts wie weg aus diesem Gefängnis!
Eine Kehre und eine Kurve weiter Passkontrolle durch einen kirgisischen Soldaten. Langsam blättert er die Seiten durch, bei einem runden Stempel meinte er „Problem“ weil er nicht gerade gestempelt war, sondern die Schrift war halt verdreht. Das ist aber die Eigenschaft von etwas Rundem.
Offensichtlich wollte er mich austesten und eine kleine Gehaltsaufbesserung erreichen.
Na wirklich net, da muss er sich jemand anderen suchen!
Ich will da jetzt nicht näher eingehen, aber der Bursche hat es bei dem Versuch bleiben lassen.
Zweieinhalb Kilometer weiter, an einer langen LKW-Kolonne vorbei, die kirgisische Grenzstation Irkeshtam.
Was für ein Unterschied zu China!
Höflich ausgedrückt, nicht so klinisch sauber wie drüben, und gar nichts angeschrieben, beim dritten Versuch hatten wir die richtige Türe erwischt. Immigration war in 10 Minuten erledigt, weiter zum Zoll, hieß raus aus dem Gebäude und in den ersten Stock.
Smartphone spielende Beamte, keiner interessierte sich für uns. Es kam aber bald einer der super Englisch sprach. Dem erklärten wir, dass wir die Motorräder von Bishkek aus mit einem LKW-Transport nach Hause schicken und wir nach Hause fliegen würden.
Daraufhin großes Rätselraten, ob sie einen Zollakt für unsere Motorräder anlegen sollten. Das dauerte sicher eine viertel Stunde, dann wurde entschieden, das es besser sei für uns weil einfacher, wenn keine Customs Declaration angelegt wird.
Wir waren mit dieser Entscheidung einverstanden, die Jungs hier waren schließlich die Experten.
Diese falsche Einschätzung hat uns dann in Bishkek $ 100.- gekostet. Beim Motorrad Rücktransport muss an der kasachischen Grenze (uns wurde aber erklärt, dass Kirgistan und Kasachstan eine Zollunion haben?) die Customs Declaration vorgewiesen werden. Ist das nicht der Fall, wie bei unseren Motorrädern, müssen die Beamten dort mit eben diesen hundert Dollar bestochen werden.
Also: bei der Einreise nach Kirgistan mit dem eigenen Fahrzeug unbedingt auf diesen Zettel (A5 mit etlichen Zeilen und einem Stempel) bestehen.
Jetzt hatten wir China wirklich richtig hinter uns, wir waren wieder frei!
Wir konnten jetzt wieder stehen bleiben wo wir wollten, fahren wohin wir wollten, in den Unterkünften hatten wir wieder uneingeschränktes Internet, und keine einzige Videokamera erfasste uns.
Wir waren Luftlinie gut 4000 km weit weg von Europa, aber im Vergleich zur chinesischen Provinz Xinjiang in einem richtig freien Land. Unglaublich.
Und noch was: wie wenn nach der Grenze ein Vorhang geöffnet wurde, hatten wir innerhalb weniger Kilometer prächtiges Wetter mit klarer Sicht.

Kirgistan, gleich nach der Grenze Irkeshtam.
Noch 80 km bis Sary Tash.

Blick zurück, im Hintergrund erkennt man die lange LKW-Kolonne die auf die Ausreise nach China wartet.

Ein interessanter Kontrast. Die beiden Fischer fischen hoffentlich nicht im trüben Gewässer?

An unserer linken Seite begleitet uns das Pamir Gebirge.

Blick zurück. Das Tal in der Bildmitte führt nach China, wo wir herkamen.

Die Fahrt ging über eine 3770 m hohen Pass.

Entlang von fruchtbaren Hochweiden, wo tausende Schafe und hunderte Pferde und Kühe grasten.

Die Menschen leben hier über den Sommer in Jurten …

… oder solchen „Wohnwägen“

Entlang des Grates verläuft die Grenze zu Tatschikistan.
Einer dieser Gipfel muss der 6613 m hohe Kurumdy sein, und links in den Wolken muss der 6349 m hohe Gipfel sein, wo die Grenzen von Kirgistan, China und Tatschikistan sich treffen, quasi die Dreiländerspitze.

Man trifft sich an der Tankstelle.
Motorradreisende unter sich, ein Serbe und ein Pole sind mit ihren Maschinen schon seit Monaten unterwegs, haben mehr als 13 000 km hinter sich, und wollen heute noch weiter auf den  Pamir Highway nach Tatschikistan.
Wir gaben ihnen den guten Rat, heute hier zu schlafen, und morgen in aller Ruhe bis Murgab zu fahren. Hier gibt es gute Zimmer, für morgen ist es eine gute Tagesetappe und dort gibt es weit und breit die beste Infrastruktur.
Die beiden taten es dann auch.

Viel Erinnerung steckt in diesen beiden Bildern.
2015 auf den Weg zum Pamir Highway standen wir hier und machten ein Foto, die Motorräder standen halt in die andere Richtung. Eher mehr im Scherz sagten wir uns wie es wäre, wenn wir das nächste mal vorne bei der Tankstelle nicht nach rechts, sondern nach links, auf die 71 km lange Straße zur chinesischen Grenze abbiegen sollten.

Und vier Jahre später war es wirklich soweit! Nur dass wir halt von dort kamen, und nicht hin fuhren.
Also, das war schon ein ganz besonderes, erhebendes Gefühl wieder an dieser Stelle zu sein und es getan und geschafft zu haben!

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