Heute war es soweit!
Es sollte sich zeigen, ob unsere monatelangen Vorbereitungen für die Durchreise durch Chinas westlichste Provinz, Xinjiang, ausreichend waren, und vor allem, ob wir auf die richtige Agentur gesetzt haben.
Zur Erklärung: Reisen in China mit eigenem Fahrzeug sind nur unter Inanspruchnahme einer berechtigten Agentur, deren Begleitung und ganz schön viel Geld möglich. Das heißt, ein chinesisches Visum ist natürlich Voraussetzung, aber zu wenig. Für Fahrzeuge müssen diverse Unterlagen spätestens zwei Monate vor der Einreise an die Agentur geschickt werden (alles mit E-Mail), und ein fixes Ein- und Ausreisedatum muss schon festgelegt sein.
Zur Abwicklung der Zollformalitäten und zum Tanken (Ja, richtig gelesen, zum simplen Tanken) ist man ohne Guide komplett aufgeschmissen!
Um es gleich vorweg zu nehmen: wir entschieden uns für Kashgar Adventure, Mr. Taher ist der Chef, und wurden nicht enttäuscht. (www.kashgaradventure.net)
Äußerst zuverlässig, fairer Preis, bestes Service, sehr gute Hotels (diese werden von der Agentur festgelegt), Handschlagqualität!
Und sehr flexibel, bis spätestens eine Woche vorher kann man den Einreisetermin noch verschieben, was wir auch in Anspruch nehmen mussten.
Es war wieder ein herrlicher Tag, wir verabschiedeten uns von den beiden Italienern.
Wir wünschten uns gegenseitig viel Glück für unsere Weiterreise.
Das konnte ja jeder brauchen, ist ja noch ein ziemliches Stück nach Hause für alle!
Der Hausherr bereitete uns noch ein leckeres Frühstück.
Hier auf 2800 m, in der Früh mit T-Shirt unter´m Marillenbaum – eine Hitzewelle am Karakorum Highway.
Wenige Minuten nach 9 Uhr waren wir am Ortsende von Sost beim Zoll, die einzigen westlichen Touristen.
Nicht viel los hier, aber weiter ging gar nix weil der Big Boss, der unsere Carnets stempeln musste, noch nicht da war. Es wurde uns erklärt, dass man ihn eh schon angerufen hätte.
Also warten.
Nach einer halben Stunde kam aber ein Beamter, der uns gleich in sein Büro bat. Es sei ein Mitarbeiter des Chefs, bis dieser hier erscheinen wird, fülle er unsere Carnets de Passage einstweilen aus. Sehr netter Mann der zügig arbeitete, der Chef kam, es gab jetzt folgende Arbeitsteilung: unser Beamte reichte dem Boss die fertig ausgefüllten Carnets, zeigte ihm wo er unterschreiben musste, was dieser auch tat, ein mittlerweile erschienener dritter Beamte setzte die Stempel drauf, und unser Mann trennte die Abschnitte der Zettel ab und legte sie in einem eigenen Ordner ab.
Alles solide Beamten-Handarbeit.
Das ging recht flott, wir bedankten und verabschiedeten uns, weiter zur Immigration.
Kurz darauf hatten wir die Ausreisestempel in den Pässen, bevor wir das Gebäude verlassen konnten mussten wir noch zum „Gesundheits-Schalter“ (Health Desk). Hier wurde nach einem Blick in unsere Pässe beurteilt, dass wir, im Gegensatz zu einem Pakistani neben uns, keine Polio-Schluckimpfung brauchen würden!
Mit Wartezeit dauerte die gesamte Ausreiseprozedur genau eine Stunde, was wir als recht schnell empfunden haben.
80 Kilometer waren es noch bis zur Grenze. Kurz nach Sost gibt es noch die Möglichkeit, Richtung Westen etwa 80 km in ein Tal zu fahren, wo das angeblich nördlichste pakistanische Dorf nahe der afghanischen Grenze zu finden ist. Unsere Italiener waren dort und haben uns von der Schönheit der Landschaft vorgeschwärmt.
Wir durchfahren ein Naturschutzgebietes, es ist eine Benutzungsgebühr zu entrichten. Gleich drauf der letzte Kontrollposten vor der Grenze, schwer bewaffnete Soldaten.
Ein Selfie darf auch wieder mal sein.
Wir treffen pakistanische Motorradfahrer, die von Islamabad hierher gefahren sind. Ziel ist der Khunjerab Pass bis zur Grenze, dann geht es wieder zurück in die Hauptstadt.
Die Original-Sitzbank dürfte wohl nicht allzu bequem sein?
Hier kam ich an einer Gruppe pakistanischer Touristen vorbei, die mit einem Spektiv Steinböcke auf dem Geröllhang hinter mir beobachten konnten. Hier im Norden Pakistans leben die Himalaya Steinböcke .
Und dann waren wir da!
Der Khunjerab Pass ist mit seinen 4733 m der höchste Grenzpass der Welt. Zum Vergleich: der Mont Blanc ist 4810 m hoch.
Dazu gibt es eine Geschichte: als Manfred und ich 2015 den Pamir Highway in Tatschikistan gefahren sind, überquerten wir den 4655 m hohen Ak Baital Pass, der höchste Punkt unserer damaligen Reise. Bei einem genaueren Blick auf die Straßenkarte entdeckten wir 250 km Luftlinie weiter südöstlich den Khunjerab Pass am Karakorum Highway. „Da gibt es ja einen noch höheren Pass, wär das was den zu fahren?“
Und heute, vier Jahre später, stehen wir tatsächlich hier heroben.
Jede Menge los hier, ein Magnet für pakistanische Touristen.
Yak Reiten und am Schnee gehen – wir kennen das ja schon von Indien. Am Rohtang La konnten wir das ja schon miterleben.
Der höchst gelegene Bankomat der Welt. Wir haben nicht ausprobiert ob er auch funktioniert, wir brauchten jetzt keine Rupien mehr.
Da vorne ist ein Schranken, wo es für die Touristen nicht mehr weiter geht. Wir mussten uns durch eine Menschentraube hupen, unsere Pässe wurden ein letztes mal durch pakistanische Polizisten kontrolliert, und der Schranken hob sich.
Wir standen auf der chinesischen Seite der Grenze!
Chinesische Touristen waren nur eine Handvoll heroben, der Grenzbesuch ist nur privilegierten vorbehalten mit guten Beziehungen zu Regierungsstellen.
Wir sahen später weiter unten nach der ersten Grenzkontrolle, dass nur richtig dicke Geländeautos in der Klasse Toyota Land Cruiser 5,7 Liter V8 dort parkten und dann der Schranken für die gehoben wurde.
Irgendwo hab ich mal gelesen, dass in einem sozialistischen Staatssystem alle Menschen gleich sind??
Ein letzter Blick zurück nach Pakistan.
Und wir hatten auf einen Schlag drei Stunden Zeitverschiebung! Ganz China hat Peking Zeit, also Uhren um drei Stunden vor stellen.
Und – wir konnten wieder auf der richtigen Straßenseite fahren!
Ich hab das aber sowieso erst gemerkt, als mir ein LKW auf meiner Seite entgegenkam.
Nach mehr als einem Monat Linksverkehr kann das ja mal passieren.
Und jetzt ging´s los, die gefürchtete Einreiseprozedur. Zwei vermummte, bewaffnete chinesische Soldaten und zwei Polizisten waren direkt am „Triumpfbogen“ stationiert. Pässe vorweisen, Eintrag in irgendeine Liste. Derweil konnte ich noch diese Fotos machen, dann wurden wir aufgefordert sofort ohne stehen zu bleiben runter zu fahren.
Nach etwa drei bis vier Kilometer dann die Grenzstation. Aber hier fand nur eine Personen- und Fahrzeugkontrolle statt, der eigentliche Zoll und die Immigration waren in der 120 km entfernten Stadt Tashkorgan!
Aber der Reihe nach, das ist nämlich total schizophren, wenn man das nicht erlebt hat, glaubt man es nicht!
Eine riesige Halle mit drei oder vier Einfahrten, jede mehr als lang und hoch genug für einen 40 t Sattelschlepper. Einfahrt in die erste Halle, total verloren standen unsere Motorräder in dieser Riesen Halle, man wartete schon auf uns weil wir über Funk ja schon von oben angekündigt wurden. Motorräder abstellen, so, genau so und nicht anders, alles Gepäck abladen und damit in einen Raum rechts von uns, Kontrolle wie am Flughafen: gesamtes Gepäck durch den Röntgenscanner, wir Stiefel ausziehen und durch das Metalldetektor Tor. Abtasten. Schuhe wieder anziehen, Gepäck auf einen Tisch. Tisch zu klein, der Bitte einen zweiten Tisch benutzen zu dürfen wurde stattgegeben. Beamter untersucht gesamtes Gepäck. Ich hab da einen recht freundlichen erwischt, der war nicht sonderlich genau, wogegen Manfred wirklich alles ausräumen und herzeigen musste.
Das Englisch der Burschen hier ist zumindest so gut, das es zur Verständigung ausreicht.
Fertig, keine Beanstandungen, Gepäck raus in die Halle und wieder aufladen. Der Bitte die Motorräder zum Gepäck schieben zu dürfen statt das Gepäck zu den Motorrädern zurück zu tragen wurde wieder stattgegeben. Heute war anscheinend unser Glückstag!
Es war heiß hier drinnen, ich total verschwitzt. Es ist alles so zack-zack gegangen, dass gerade Zeit für kurze Trinkpausen war. Trinken, das Stichwort: Manfred musste bei seiner Kontrolle alle drei oder vier Wasserflaschen die er mit hatte, öffnen und daraus trinken!
Total schmutzige Hände vom Gepäck, ich ersuchte höflich mir die Hände waschen zu dürfen. Zuerst striktes „No“, kurz darauf zeigte mir dann doch einer der Jungs die Toilette. Die hatten heute anscheinend wirklich ihren guten Tag.
Weiter ging´s, zurück durch die Einfahrt, in die nächste Halle zum Motorrad Röntgen! Ein riesiger Röntgenscanner der auch die über die größten Lastautos und Busse fährt, schiebt sich mit extrem lautem Gepiepse da über meine winzige BMW.
Fertig, wieder rein, mit der Maschine aus der Halle, durch die letzte Halle wieder zurück und bei der ersten, wo wir kontrolliert wurden, wieder hinein. Seltsames Ringelspiel hier.
Warten.
Anscheinend wurden jetzt die Röntgenbilder ausgewertet. Zu 100% sind da unsere Messer, die wir vorsorglich verstaut hatten, nicht zu sehen. Wir hatten die Informationen, dass Messer hier als extrem gefährlich eingestuft werden und abgenommen werden. Natürlich auch Schweizer Messer.
Aber eine Sache, die wir erwartet hatten, ist nicht eingetreten: keine Kontrolle des Notebooks und der Telefone. Normalerweise werden die komplett durchsucht und irgendwelche Software zum Auslesen aufgespielt.
War es wirklich unser Glückstag oder werden die Kontrollen nicht mehr ganz so streng durchgeführt?Wer weiß.
Irgendwann bekamen wir einen Zettel von irgend einem Chef hier der in einem Raum saß, wo jede Menge Bildschirme leuchteten, offensichtlich die Auswertezentrale.
Was wir später erfahren sollten: beim Röntgen der Fahrzeuge ist offensichtlich das Schwergewicht, Rauschgift zu finden. Ein anscheinend beliebtes Versteck dafür sind die Reifen. Das sieht man aber im Röntgen sofort.
Die Pässe wurden einbehalten, wir sollten jetzt los fahren bis zum Schranken, etwa 200 m weiter unten.
Dort wieder warten.
Also, insgesamt betrachtet, war diese Prozedur weit weniger schlimm und nervenaufreibend als in vielen Berichten von Overlandern zu lesen ist. Wir vermuten dass der Hauptgrund der ist, dass wir nur zu zweit waren. Normalerweise sind, meist aus Kostengründen (mehr Teilnehmer = billigerer China Transit für jeden einzelnen), Gruppen von bis zu knapp 20 Personen unterwegs. Da schaut die Sache dann auch ganz anders aus.
Manfred und ich waren da oben in einer Stunde fertig!
Da, unter der Riesen Halle am Schranken kam dann auch einer unserer Jungs von der Kontrolle und hatte ein schwarzes Plastiksackerl mit Reisepässen in der Hand. Es gab noch was mit seinen Kollegen zu besprechen, dann kam er zu uns und versuchte in furchtbarem Englisch uns was mitzuteilen. Schließlich zückte er sein Smartphone, stellte die Übersetzter-App ein, und quatschte drauf los.
„Follow this Truck“ kam aus dem Lautsprecher. Aha, so lief das.
Wir waren hier zwei Klein-LKW, zwei Minibusse, alle aus Pakistan, und wir zwei Motorräder. Das war unser Konvoi ins etwa 120 km entfernte Tashkorgan. Dort erhielten wir auch später unsere Einreisestempel. Der Polizist (oder Zöllner, ich weiß es nicht mehr so genau) stieg in einen der Minibusse, das Sackerl mit den Pässen in der Hand, und damit die Kontrolle über uns alle.
Damit wir auf der Strecke nicht abhauen konnten also folgende Sicherheitsvorkehrungen:
wir hatten keine Reispässe,
wir mussten im Konvoi fahren,
links und rechts der Straße war etwa die ersten 80 bis 100 km durchgehend ein Stacheldrahtzaun,
bei allen Siedlungen entlang der Strecke waren alle Zufahrten mit Männchen oder Weibchen besetzt (bewacht?), die Splitterschutzweste, Helm und Warnweste trugen und meist auch noch ein rotes Fähnchen in der Hand hielten,
und geschätzt spätestens jeden Kilometer eine Videokamera!
Also außer schizophren fällt mir da keine passendere Bezeichnung ein.
Daher gibt es von dieser Fahrt auch nur die beiden Fotos, die ich noch gleich nach dem Wegfahren machen konnte. Dann kam der Minibus mit dem Polizisten drin, der mich unmissverständlich darauf hinwies, nicht stehen zu bleiben und nicht zu fotografieren.
Schade, weil es eine tolle Landschaft hier ist. Das Tal ist gleich von Beginn an viel weiter als auf der pakistanischen Seite, die ersten Jurten sind gleich einmal zu sehen. Links begleitet uns das Pamir Gebirge, das wir ja aus Tatschikistan schon kennen. Nur am Beginn gibt es einige Serpentinen, ansonsten geht es nur sehr sanft tiefer, fast nicht merkbar.
Irgendwann kommen wir auch an der Stelle vorbei, wo es links, also Richtung Westen, ein Tal entlang geht, bis zur kurzen Grenze die China mit Afghanistan hat.
Offiziell wird der Sicherheits- und Kontrollwahn der hier herrscht damit begründet, dass diese Provinz Xinjiang eben an Pakistan, Afghanistan, Tatschikistan und Kirgistan grenzt.
Naja.
Manfred federt sich auf sehr guter Straße flott dahin, sehr guter Stacheldrahtzaun links und rechts neben uns, da können uns keine Kamele und anderes Getier vor die Räder laufen, und lückenlose Videoüberwachung. Wir fühlen uns richtig sicher!
Um 1630 Uhr Peking Zeit trafen wir am Khunjerab Port in Tashkorgan ein. Das ist die eigentliche Grenzstation. Bei der Einfahrt müssen alle Fahrzeuge durch ein Desinfektionsbecken fahren, unsere Motorräder bekommen eine Spezialbehandlung. Sie werden mit Inbrunst und sehr sorgfältig mit einer Kanisterpumpe abgesprüht. Dann parken, es war überraschender weise niemand da der uns sagte, wie genau wir die Motorräder denn jetzt hinstellen sollten. Rein zur Immigration, warten in der Reihe, auf keinen Fall lärmen. Von strengen uniformierten Damenblicken wird das alles überwacht. Die wiederum werden durch die vielen Videokameras überwacht, damit sie ja brav der Vorschrift nach ihren Dienst versehen. Wehe es unterhält sich jemand laut und wird nicht gemaßregelt!
Alle zehn Finger werden gescannt! Der Beamte hat schon unsere Pässe, erkennt dass wir Deutsch sprechen, und promt ertönt auch die Anweisung, wie wir unsere Finger auf die Scanfläche halten sollen, auf Deutsch. Also technisch sind sie eh gut drauf!
Noch ein Gesichtsfoto, ein strenger Vergleichsblick Passfoto zum Gesicht vor ihm, Einreisestempel stempeln.
Phuu, große Erleichterung. Heute war nämlich der letzte Tag wo unser China Visum gültig war. Ab heute dürfen wir also 30 Tage im Land bleiben.
Aus dem Gebäude, dort erwartete uns schon unser Guide der Agentur, Askar.
Er hat uns wieder zu den Motorrädern geschickt, wir mussten noch die Gepäckkontrolle hinter uns bringen. „Aber da oben am Pass, Konvoi, Zaun, Videoüberwachung, ….“ Sinnlos. Vorschrift ist Vorschrift.
Also Gepäck abräumen, wieder in das gleiche Gebäude.
Passport.
„Aber wir waren doch grad da und haben den Einreisestempel bekommen, das war doch nicht zu übersehen, wir sind die einzigen Westler hier weit und breit“.
Und das allerlustigste daran: genau der Beamte, der Manfred beim Fingerscan quasi auf die Finger geschaut hat und der genau gesehen hat dass er den Stempel bekommen hat, der hat die Pässe verlangt.
Passport.
Gaaanz ruhig bleiben!!
Passport vorgewiesen, die waren doch tatsächlich in Ordnung! So was.
Gepäck durch den Röntgenscanner, nix zusätzlich kontolliert, da waren wir gleich fertig.
Vorne raus, Gepäck ablegen, wieder hinter das Gebäude Motorräder holen, nach von fahren, Gepäck aufladen. Aus dem Zollbereich raus, unserem Guide nachfahren, auf eine abgesperrte und gesicherte Parkfläche wo die Motorräder über Nacht bleiben müssen, weil morgen der Zoll ansteht.
Das Wichtigste für eine Nacht mitnehmen, zu Askar ins Auto, der bringt uns ins Hotel.
Hotel sehr gut, das Crown Inn. Da gibt es auch erstmals wieder Bier. Nur hatten die irgend ein importiertes mit 18%! Restaurant war geschlossen.
Heute waren wir erledigt!
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